OLG Hamm: Zweite Ehefrau kann Erbeinsetzung der ersten Ehefrau anfechten

zu OLG Hamm, Beschluss vom 28.10.2014 - 15 W 14/14.

Hat der nach Scheidung wiederverheirate Ehemann in einem während seiner ersten Ehe errichteten Testament seine erste Ehefrau als Erbin eingesetzt, kann seine im Testament nicht berücksichtigte zweite Ehefrau das Testament nach dem Tod ihres Ehemanns regelmäßig anfechten. Dies hat das Oberlandesgericht Hamm mit Beschluss vom 28.10.2014 entschieden (Az.: 15 W 14/14). Es änderte damit den erstinstanzlichen Beschluss des Amtsgerichts Arnsberg ab.

Zweite Frau fühlt sich als Pflichtteilsberechtigte übergangen

Der 1945 geborene Erblasser aus Arnsberg heiratete 1982 seine erste Ehefrau und errichtete mit ihr im Jahr 2003 ein privatschriftliches gemeinschaftliches Testament, in dem sich die Eheleute wechselseitig zum alleinigen Erben des Erstversterbenden einsetzten. In einem Nachtrag vereinbarten die Eheleute, dass das Testament auch im Fall der Ehescheidung gelten solle. Die Ehe wurde 2011 geschieden. Kurz darauf heiratete der Erblasser seine zweite Ehefrau. Mit dieser errichtete er Anfang 2012 ein notarielles Testament, in dem er unter anderem seine früheren letztwilligen Verfügungen widerrief. Zu Lebzeiten des Erblassers ist das notarielle Testament aus dem Jahr 2012 der ersten Ehefrau nicht übermittelt worden. Nach dem Tod des Erblassers im Februar 2013 hat die zweite Ehefrau das Testament aus dem Jahr 2003 angefochten, weil sie als Pflichtteilsberechtigte übergangen worden sei. Die erste Ehefrau hat das Testament von 2003 für wirksam erachtet und die Erteilung eines sie als Alleinerbin ausweisenden Erbscheins beantragt.

OLG: Erstes Testament nicht wirksam widerrufen

Der Erbscheinantrag der ersten Ehefrau ist vor dem OLG erfolglos geblieben. Die erste Ehefrau sei nicht Erbin geworden, weil die zweite Ehefrau das Testament aus dem Jahr 2003 wirksam angefochten habe. Das Testament von 2003 sei zwar aufgrund des Nachtrags der damaligen Eheleute nicht mit der Scheidung unwirksam geworden. Auch habe es der Erblasser mit dem 2012 errichteten, neuen Testament nicht wirksam widerrufen, weil der Widerruf gegenüber der ersten Ehefrau zu erklären gewesen wäre und der Erblasser es zu seinen Lebzeiten versäumt habe, seiner ersten Ehefrau den Widerruf zu übermitteln.

Erstes Testament aber wirksam angefochten

Die zweite Ehefrau habe das erste Testament aber wirksam angefochten. Sie habe die Anfechtung innerhalb der mit dem Tod des Erblassers beginnenden Jahresfrist erklärt. Die Anfechtung sei sachlich begründet, weil die zweite Ehefrau zur Zeit des Erbfalls eine Pflichtteilsberechtigte sei, die das Testament aus dem Jahr 2003 nicht berücksichtige. Das berechtige zur Testamentsanfechtung, weil das Gesetz vermute, dass der Erblasser den Pflichtteilsberechtigten bei Kenntnis der späteren Sachlage nicht übergangen hätte. Eine Anfechtung sei nur dann ausgeschlossen, wenn anzunehmen sei, dass der Erblasser die in Frage stehende letztwillige Verfügung auch bei Kenntnis der späteren Sachlage getroffen haben würde. Hiervon sei im vorliegenden Fall nicht auszugehen. Nach dem seinerzeit vereinbarten Nachtrag habe das Testament des Jahres 2003 nur bei der Scheidung weitergelten sollen. Dafür, dass es nach dem Willen des Erblassers auch im Fall seiner Wiederverheiratung weitergelten sollte, gebe es keine konkreten Anhaltspunkte.


OLG Hamm: Erbverzicht kann Folgen für Kinder des Verzichtenden haben


zu OLG Hamm, Beschluss vom 28.01.2015 - 15 W 503/14.

Ein Erbverzicht kann auch für die Kinder des Verzichtenden Folgen haben. Dies hebt das Oberlandesgericht Hamm hervor. So schließe derjenige, der auf einen ihm testamentarisch zugewandten Erbteil verzichtet, auch seine Kinder vom Erbteil aus, wenn die Verzichtsvereinbarung nichts anderes bestimmt. Verzichte ein Miterbe auf seine verbindlich gewordene Erbeinsetzung in einem gemeinschaftlichen Testament mit Pflichtteilsstrafklausel, könne der überlebende Ehegatte über den Erbteil des Verzichtenden nicht anderweitig, zum Beispiel zugunsten eines Kindes des Verzichtenden, verfügen (Beschluss vom 28.01.2015, Az.: 15 W 503/14).


Streit um Erbrechte nach Erbverzicht der Tochter der Erblasserin

Die in Dortmund wohnenden Eltern des Erstbeteiligten aus Hamm errichteten 1980 ein gemeinschaftliches Testament mit Pflichtteilsstrafklausel, in dem sie den Überlebenden zum befreiten Vorerben und zwei ihrer Kinder, den 1963 geborenen Erstbeteiligten und seine 1957 geborene Schwester, zu gleichen Teilen als Nacherben einsetzten. Nach dem Tod des 78-jährigen Vaters im Jahr 1993 schlossen die überlebende Mutter mit dem Erstbeteiligten und der bedachten Schwester 2001 einen notariellen Vertrag, in dem die Schwester ihr Nacherbenrecht auf den Erstbeteiligten übertrug und erklärte, auch auf ihr gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht zu verzichten. Hintergrund waren Zuwendungen von 180.000 DM, die die Schwester bereits von der Mutter erhalten hatte beziehungsweise noch erhalten sollte. Die Schwester verstarb 2002, sie hinterließ zwei Kinder, unter anderem die Drittbeteiligte aus Duisburg als ihre Tochter. In einem handschriftlichen Testament aus dem Jahr 2013 bestimmte die Mutter die Drittbeteiligte und einen Zweitbeteiligten aus Düsseldorf zu Erben. Ende 2013 verstarb die Mutter im Alter von 82 Jahren. In der Folgezeit haben die Beteiligten um die ihr zustehenden Erbrechte nach dem Tod der Mutter als Erblasserin gestritten, wobei der Erstbeteiligte der Ansicht war, Alleinerbe zu sein, während der Zweit- und die Drittbeteiligte meinten, dass sie die Erblasserin als Miterben beerbt hätten.


Tochter der Verstorbenen wegen Verzichts als Erbin weggefallen

Nach der vom Amtsgericht Dortmund getroffenen und vom OLG Hamm bestätigten Entscheidung ist der Erstbeteiligte Alleinerbe seiner Mutter geworden. Der Erstbeteiligte und seine im Jahr 2002 verstorbene Schwester seien durch das 1980 errichtete gemeinschaftliche Testament der Eltern zu Erben nach dem Tod des letzten Elternteils eingesetzt worden. Durch den notariellen Vertrag aus dem Jahr 2001 habe die Schwester auf ihr gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht und auch auf das ihr durch das gemeinschaftliche Testament zugewandte Erbrecht verzichtet. Sie sei deswegen als Erbin weggefallen.


Zuwendungsverzicht erfasst auch Kinder der Verzichtenden

Ihre Kinder seien nicht als Ersatzerben berufen, so das OLG weiter. Der Zuwendungsverzicht der Schwester erstrecke sich auch auf ihre Abkömmlinge. Die nach dem Gesetz mögliche andere Bestimmung sei im Verzichtsvertrag nicht getroffen worden. Damit sei der Erbteil der Schwester beim Tod der Erblasserin dem Erstbeteiligten angewachsen. Insoweit enthalte auch das gemeinschaftliche Testament keine anderweitige Bestimmung.


Erblasserin konnte Enkelin nicht als Erbin einsetzen

Die Erblasserin sei nach dem Tod ihres Ehemanns gehindert gewesen, ihre Enkelin und den Zweitbeteiligten als Erben einzusetzen. Dem stehe das gemeinschaftliche Testament aus dem Jahr 1980 entgegen, das auch hinsichtlich der Alleinerbenstellung des Erstbeteiligten bindend sei. Seine Bindungswirkung erfasse den dem Erstbeteiligten nach dem Wegfall seiner Schwester zugewachsenen Erbteil. Das ergebe die Auslegung des Testaments. Der vorliegende Fall sei mit dem Fall vergleichbar, bei dem ein Pflichtteilsberechtigter aufgrund einer Pflichtteilsstrafklausel als Schlusserbe ausscheide, weil er zu Lebzeiten des überlebenden Ehegatten seinen Pflichtteil verlange. Auch in diesem Fall wachse sein Erbteil den übrigen testamentarisch bedachten Erben zu. Zwar sei die Schwester nicht aufgrund eines Pflichtteilsverlangens weggefallen, sie habe aber – vergleichbar mit einem solchen Verlangen – ihren Erbverzicht erklärt, weil sie zu Lebzeiten Zuwendungen erhalten habe.